Handelsblatt • Internet • 20.11.2023, 10:04:10
Ranking: Diese Arbeitgeber setzen auf Homeoffice

Wie viel Remote-Arbeit ist noch sinnvoll? Eine Rangliste zeigt: Ein Höchstmaß an Flexibilität steigert die Attraktivität des Arbeitgeber.

Wer bei KGS Keller Geräte & Service im Homeoffice arbeitet, überwacht die Arbeitszeiten selbst. Der Baumaschinenhersteller aus dem badischen Renchen gewährt seinen Bürobeschäftigten ein bis zwei Tage pro Woche die Möglichkeit, von daheim aus zu arbeiten.

Ein sogenannter Homeoffice-Knigge legt zwar die Zeiten fest, in denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort erreichbar sein sollen. Auf eine Kontrolle aber verzichtet KGS Keller explizit. „Dieses Vertrauen bringen wir den Mitarbeitern entgegen.

Das wird auch so eingefordert und spiegelt unsere Unternehmenskultur einer selbstständigen, ergebnisorientierten Arbeitsweise“, sagt Personalreferentin Anika Schmidt. Zu lange sollen die Arbeitskräfte nicht am Schreibtisch sitzen. Es findet sich im Homeoffice-Knigge auch die Aufforderung, auf den pünktlichen Feierabend zu achten.

Die Erfahrung zeige, dass die Arbeitsqualität im Homeoffice nicht leide, erläutert Schmidt. Jedes Mitglied im 62-köpfigen Büroteam habe Anspruch auf einen Tag Remote-Arbeit pro Woche, der zweite sei optional. Denn: „Wir müssen darauf achten, dass auch die Büromitarbeiter in der Nähe der Produktion sind, und wir legen Wert auf ein persönliches Miteinander“, sagt Schmidt.

Auch die 68 Mitarbeiter in der Produktion genießen viele Freiheiten. Kernarbeitszeit und Gleitzeit wurden so eingerichtet, dass man bereits um 15 Uhr Feierabend machen kann. Wie die kleinen Teams ihre Zeit genau einteilen, sprechen sie ohne die Einmischung von Vorgesetzten in Eigenregie ab.

„Dieses hohe Maß an Basisdemokratie findet man bei Produktionsbetrieben selten“, so Schmidt. Die Regeln zu Homeoffice und den flexiblen Arbeitszeiten in der Produktion kommen in der Belegschaft gut an. „So punkten wir auch beim Recruiting“, sagt die Personalreferentin.

Chefs fordern Büropräsenz

Ob im Büro, in der Produktion oder auf Montage – mit vielfältigen Möglichkeiten für das Homeoffice schaffen Mittelständler gute Argumente, um begehrte Fachkräfte anzulocken und zu binden. „Homeoffice und möglichst flexible Arbeitszeiten sind wichtige Stellschrauben“, sagt Johannes Higle.

Der Experte am Marktforschungsinstitut SWI in Hamburg ist Leiter der Studie „Beste Arbeitgeber“. Darin wurden knapp 2400 Firmen zu ihrem Vorgehen unter anderem bei Remote Work und flexiblen Arbeitszeitmodellen befragt. 52 Unternehmen wurden ausgezeichnet – zu ihnen zählt auch KGS Keller.

In der Auswertung hat Higle beobachtet, dass Remote Work zwar etabliert ist, sich aber ständig weiterentwickelt. „Wir stellen eine immer stärkere Flexibilisierung der Möglichkeiten fest“, sagt der Experte. Als Beispiel nennt er das allmählich aufkommende Modell der „Workation“, also das Arbeiten aus der Urlaubsregion.

Dass Homeoffice zu mehr Zufriedenheit und Produktivität führen kann, legt eine Studie der Technischen Universität Darmstadt nahe – darauf deuten die Antworten der Betroffenen hin. Während 76 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice das Gefühl haben, produktiv zu arbeiten, gilt dies im Unternehmensbüro nur für 61 Prozent. Noch unproduktiver fühlen sich jene, die unterwegs arbeiten – etwa im Zug oder im Café. An diesen Orten attestiert sich nicht einmal die Hälfte der mehr als 1000 Befragten, produktiv arbeiten zu können.

Zudem fühlen sich die meisten Beschäftigten im Homeoffice wohler als im Büro. Während 81 Prozent mit ihrer Arbeit zu Hause zufrieden sind, gilt dies im Büro nur für 57 Prozent. 24 Prozent der Beschäftigten betrachten fehlende Homeoffice-Möglichkeiten und starre Arbeitszeiten sogar als einen Kündigungsgrund. „Beschäftigte begreifen Remote Work als einen fundamentalen gesellschaftlichen Zugewinn, der zukünftig für sie nicht mehr verhandelbar ist“, sagt Andreas Pfnür, Professor für Immobilienwirtschaft an der TU Darmstadt.

Trotz der überwiegend positiven Einstellung zum Homeoffice wünschen sich etliche Chefs in aber wieder mehr Präsenz ihrer Leute im Büro. Das ergab eine Umfrage der Wirtschaftsberatung KPMG aus dem Oktober. Demnach gehen 68 Prozent der Firmenlenker davon aus, dass ihre Angestellten innerhalb der nächsten drei Jahre wieder Vollzeit ins Büro zurückkehren werden. Sie sind sogar bereit, dafür zu zahlen. Drei von vier CEOs können sich vorstellen, Mitarbeiter zu befördern oder ihnen mehr Gehalt zu bezahlen, wenn sie häufiger ins Büro kommen.

Von Hybridarbeit gehen zukünftig nur 25 Prozent der Topentscheider aus. Warum die Chefs sich eine Rückkehr in die Büros wünschen, wurde in der Studie nicht abgefragt. Einen denkbaren Grund nennt SWI-Experte Higle. „Es besteht die Gefahr, Mitarbeiter im Homeoffice nicht ausreichend an das Unternehmen zu binden. Arbeitgeber werden austauschbar, wenn keine soziale Bindung oder keine unternehmenskulturellen Maßnahmen bestehen.“ Gerade bei kleineren Unternehmen könnten nach Higles Ansicht auch Kosten für zusätzliches Homeoffice eine Herausforderung darstellen, denn bestimmte Infrastruktur braucht man doppelt.


Das spürt auch Christian Klug. Er ist Prokurist beim Franchisenehmer Travel Management Services Papendick. Das ebenfalls von SWI ausgezeichnete Reisebüro hat 75 Beschäftigte. Für rund die Hälfte von ihnen hält Klug eine Doppelausstattung vor, etwa in Form von Notebook und Smartphone für daheim.

„Die Arbeitsprozesse finden in einer cloudbasierten Lösung statt“, sagt Klug. „Durch die teilweise vorhandene Doppelausstattung entstehen natürlich Mehrkosten.“ Diese Investition lohne sich aber – „hinsichtlich der Mitarbeiterbindung sowie der Zufriedenheit und der Flexibilität“. Und die Homeoffice-Option bringe dem Reisebüro einen weiteren großen Vorteil:

„Wir können Mitarbeiter auch standortunabhängig suchen und einstellen.“
90 Prozent der Geschäftskundenbetreuer arbeiten zu Hause. Das Touristikgeschäft findet indes weiter an fünf Standorten statt. „Nicht jeder Mitarbeiter will ins Homeoffice. Mancher sucht weiterhin die Nähe zum Kunden und will vor Ort beraten“, sagt Klug. Auch sei vielen Privatkunden der persönliche Kontakt sehr wichtig.

„Dennoch bieten wir auch den Mitarbeitern im Bereich Touristik die Möglichkeit, zum Teil remote zu arbeiten“, so Klug. Buchungen müssten auf allen Kanälen möglich sein – online, per Telefon und im persönlichen Gespräch in der Filiale. Doch nicht jeder Job lässt sich daheim erledigen – Produktionsbeschäftigte und Monteure sind vor Ort gefragt. Vorbildliche kleine und mittlere Unternehmen ermöglichen diesen Berufsgruppen stattdessen besonders flexible Arbeitszeiten, um sie an sich zu binden. So macht es auch Epcan. Das Unternehmen in Vreden an der niederländischen Grenze versorgt Haushalte mit Glasfaseranschlüssen – es schneidet bei den Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten am besten ab.

Techniker mit Viertagewoche


Die neun Techniker und Monteure müssen bei Epcan nicht mehr fünf Tage pro Woche arbeiten. Sie haben stattdessen die Möglichkeit, ihre Termine an vier Tagen zu verdichten, vorausgesetzt natürlich, sie halten sich bei ihrer 40-Stunden-Woche an das Arbeitszeitgesetz – also etwa die vorgeschriebene Ruhepause von elf Stunden nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit.
„Unsere Leute sind viel unterwegs. Wenn sie nach Feierabend gegen 17 Uhr im Hotel ankommen und den Abend dort verbringen, ist das für sie verschenkte Zeit“, sagt Geschäftsführer Nils Waning. Denn viele Privatkunden sind gerade am späten Nachmittag anzutreffen. „Deshalb legen unsere Mitarbeiter im Außendienst sich die Termine so, dass sie nach Möglichkeit freitags frei haben und so mehr Zeit zum Beispiel mit der Familie verbringen können. Mit dieser Regelung fahren wir seit 2021 sehr gut.“


Die weitreichenden Freiheiten sind auch der Not geschuldet. „Durch unseren Standort haben wir es im Kampf um die wenigen Fachkräfte schwerer als der Wettbewerb“, sagt Waning. „Rekrutierung in den Niederlanden ist wegen bürokratischer Hürden sehr aufwendig.“ Also bleibe nur eines: „Wir müssen als Arbeitgeber attraktiver sein“, so Waning. Man habe die Erfahrung gemacht, dass beim Werben um neue Mitarbeiter die flexiblere Arbeitszeit sogar ein stärkeres Argument sei als ein besseres Gehalt.


Epcan bietet das Recht auf zwei Tage Homeoffice pro Woche. Längst nicht jeder schöpft das Angebot aus. „Wir hatten nach der Pandemie gedacht, es bestünde weiter das Bedürfnis, von zu Hause aus zu arbeiten“, sagt Waning. „Aber die meisten unserer 50 Büroangestellten kommen gerne hierher.“